Erich und Margot Honecker, das einstige Diktatorenpaar der DDR ist gefallen und sind praktisch obdachlos… Kein Schutz, keine Hilfe! Einzig ein Pastor und eine Familien scheinen sich ihrer anzunehmen. Ein besonderer Film von Regisseur Jan Josef Liefers bei ARTE, im ZDF und in der ZDF Mediathek. Mein TV-Tipp: „Honecker und der Pastor“
Darum gehts:
Januar 1990: Nachdem sie entmachtet worden sind und die Mauer gefallen ist, sind Erich und Margot Honecker praktisch obdachlos, denn die Regierungssiedlung in Wandlitz wurde aufgelöst. Die Modrow-Regierung bietet dem ehemaligen Diktatorenpaar keinen Schutz. Einzig beim evangelischen Pastor Uwe Holmer und seiner Familie, die, wie viele andere, unter dem DDR-Regime gelitten haben, finden die Honeckers Zuflucht. Vor dem Pfarrhaus kommt es zu heftigen Demonstrationen, so dass Pastor Holmer und seine Frau sich persönlich den gewaltbereiten Demonstranten in den Weg stellen müssen. Der halbherzige Versuch der Regierung Modrow, das Ehepaar Honecker im März 1990 in einem staatlichen Ferienheim in Lindow unterzubringen, scheitert an massiven politischen Protesten und tätlichen Angriffen auf die Wagenkolonne. Wieder nehmen die Holmers das Ehepaar auf. Insgesamt zehn Wochen leben die überzeugten Sozialisten und die tiefgläubigen Christen im Pfarrhaus unter einem Dach.
"Auf zum letzten Gefecht" von Regisseur Jan Josef Liefers
Die Geschichte von den Honeckers und den Holmers verfolgt mich, seit ich das erste Mal von ihr hörte. Das ehemalige Staatsoberhaupt und seine Frau, die einstige Volksbildungsministerin, werden nach ihrem tiefen Fall zu obdachlosen Bittstellern, die keiner will. Sämtlicher Privilegien wie auch des Personenschutzes beraubt, stehen sie quasi auf der Straße. Nur zwei eilig gepackte Koffer sind vom alten Leben geblieben. In der ausweglosen Situation ist es ausgerechnet ein Pastor, der sein Haus für das Diktatorenpärchen öffnet, und so ziehen Erich und Margot in die Kinderzimmer des Pfarrhauses. Kirche und Staat – die Enden der Parabel kreuzen sich. Das Undenkbare passiert.
Es klingt wie ein Märchen. Und wie im Märchen hielt sich in der DDR die Vorstellung, die da oben müssten nur einmal die Wahrheit über das marode Land erfahren, dann würde alles besser. In der Tat sind Oberhäupter diktatorischer Systeme oft schlecht informiert, weil der Untergebene dem Vorgesetzten keine unerwünschten Nachrichten überbringen möchte, die ihm selbst als Versagen ausgelegt werden könnten. So setzt sich die Beschönigung fort, je weiter sie in der Nomenklatura aufsteigen, bis schließlich ganz oben alles nur noch großartig ist. Meine Mutter hatte den immer wiederkehrenden Traum, dass sie Honecker zufällig in einem Restaurant begegnet, ohne seine Entourage, und ihm die ganze Wahrheit über das Leben in der DDR sagt. Dieser Traum wird wahr, unser Film erzählt davon.
Was wie ein Kammerspiel aussieht, ist in Wahrheit ein Thriller. Eingebunkert und in nahezu völliger Isolation von den Dingen des Lebens wird die Außenwelt von den Honeckers nur durch den Blick in den Fernseher oder durch die Gardinen an den Fenstern ihrer Zimmer wahrgenommen. In ihren Köpfen aber tobt ein Krieg, da geht es auf zum letzten Gefecht. Auch diese imaginären Bilder werden hie und da Gestalt annehmen und für den Zuschauer sichtbar.
Die Studiodreharbeiten geben uns viele Möglichkeiten, die Innenwelten der Figuren, ihren Kampf um Reue und Vergebung, um Rechtfertigung ihres Handelns und Standhaftigkeit bis hin zur Halsstarrigkeit, auch bildhaft zu erzählen. Mit Ralf Noack steht ein Mann hinter der Kamera, mit dem ich schon mehrfach sehr gut zusammengearbeitet habe. Er hat ein erstklassiges Verständnis für die Geschichte, die Figuren sowie meine Vorstellungen vom Film.
Honecker Zeittafel:
Erich Honecker wird am 3. Mai 1971 als Nachfolger Walter Ulbrichts Erster Sekretär (ab 1976 Generalsekretär) des Zentralkomitees der SED – und damit zum mächtigsten Mann der DDR.
Seine Frau Margot Honecker ist seit 1963 Ministerin für Volksbildung in der DDR.
1989 finden in den Städten der DDR wiederholt Demonstrationen für Reise- und Meinungsfreiheit und das Ende der SED-Herrschaft statt. Die Zahl der DDR-Flüchtlinge über die bundesdeutschen Botschaften in Prag und Budapest und über die Grenzen der sozialistischen Bruderstaaten nimmt stetig zu.
Am 7. Oktober 1989 finden die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR statt. Erich und Margot Honecker feiern mit Michail Gorbatschow, das Volk jubelt ihnen vermeintlich begeistert zu. Doch gleichzeitig werden die Demonstrationen immer größer.
Am 17. Oktober 1989 wird Honecker von seinen eigenen Genossen zum Rücktritt gezwungen. Öffentlich heißt es am nächsten Tag, Erich Honecker tritt auf eigenen Wunsch aus gesundheitlichen Gründen aus allen Ämtern zurück.
Margot Honecker muss am 20. Oktober 1989 alle Ämter abgeben.
Am 9. November 1989 fällt die Mauer.
Am 19. Januar 1990 wird Erich Honecker nach einer Nieren-OP aus der Charité entlassen und direkt verhaftet.
Am 20. Januar 1990 wird er wegen Haftunfähigkeit aus Rummelburg entlassen. Die Regierungssiedlung in Wandlitz ist geschlossen. Die Honeckers sind obdachlos.
Vom 30. Januar 1990 bis 3. April 1990 leben sie bei Pastor Uwe Holmer und seiner Familie in Lobetal.
Im Anschluss werden sie im sowjetischen Militärhospital bei Beelitz untergebracht. Von dort werden die Honeckers am 13. März 1991 durch den sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow nach Moskau ausgeflogen.
Um einer Abschiebung in die Bundesrepublik zu entgehen, flüchten die Honeckers am 11. Dezember 1991 in die chilenische Botschaft in Moskau. Am 29. Juli 1992 wird Erich Honecker nach Deutschland ausgeflogen und kommt in Berlin-Moabit in Untersuchungshaft. Seine Frau Margot fliegt von Moskau direkt nach Chile zu Tochter Sonja. Erich Honecker muss sich unter anderem wegen des Schießbefehls an der Mauer verantworten.
Im Januar 1993 werden die Anklage und der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben. Honeckers Krebserkrankung ist zu diesem Zeitpunkt bereits so weit fortgeschritten, dass er eine Urteilsverkündung nicht mehr erleben würde.
Erich Honecker fliegt nach Chile zu seiner Familie, wo er die letzten Monate seines Lebens verbringt und am 29. Mai 1994 stirbt.
Margot Honecker lebt bis zu ihrem Tod am 6. Mai 2016 in Santiago de Chile.
Ausstrahlungstermine:
Freitag, 18. März 2022 – 20:15 Uhr – ARTE
Montag, 21. März 2022 – 20:15 Uhr – ZDF
Ab 14. März 2022 für ein Jahr in der ZDF Mediathek!