Vier verurteilte Gewaltstraftäter, drei hochgradig bissige Hunde und eine Frau, die bereit ist, in den Kampf zu ziehen gegen hilflose Institutionen und den Kreislauf der Gewalt. Vor allem aber gegen die eigenen Zweifel an der Erlösung von dem Bösen. Experimentelles Drama aus Deutschland – Ab 20. August im Kino.
STORY:
„Die Rüden“ führt ins Herz einer Finsternis, die heute mit toxischer Maskulinität umschrieben wird. Und leuchtet es aus: In einer Arena aus dunklem, vernarbtem Beton treffen vier junge Gewaltstraftäter auf drei kampflustige Hunde mit metallenen Maulkörben. Testosteron pur also, wäre da nicht Lu, die angstfreie, hochkonzentrierte Hundetrainerin, die sich der Herausforderung stellt, Feuer mit Feuer zu löschen. Lu siedelt ihr so riskantes, wie von den Strafvollzugs-Autoritäten misstrauisch überwachtes Projekt jenseits der Fragen nach Täter und Opfer, Schuld und Sühne an. Sie lässt sich ein auf das Unaussprechliche, das Unkontrollierbare und das Ungewisse, in das es führt. Die Täter, die Tiere, sie selbst. So wird sie zur Provokation und ihr Ansatz zum Sprengsatz für ein System, das noch immer glaubt, man könne Gut und Böse wirklich auseinander sortieren. Lu lotet auch die Grenzen der Männlichkeit aus. Am Abgrund von Aggression, Gewalt und Uneinsichtigkeit wird die männliche zur menschlichen Grenze. Und deren Überwindung zu einem Thema für uns alle: Die Zornigen wie die Zaghaften, die Handelnden wie die Verdrängenden, vor allem aber: Männer wie Frauen.
„Die Rüden“ ist eine so eindrückliche wie verstörende Reise zum Mittelpunkt der Menschlichkeit.
Weltweit sind siebzig Prozent aller Gewaltstraftäter jung und männlich. Sie sind es, die im nicht seltenen Extremfall Busse in Menschengruppen lenken, mit Fäusten und Waffen ihre Ziele erkämpfen, sich gar selbst in die Luft sprengen. Junge und jüngste Männer bilden ein höchst effizientes Instrument des Terrors. Sie sind Täter. Und sie sind Opfer. Und durchaus auch Retter. Sie waren schon immer die, die unsere Kämpfe gekämpft haben: mit deren Körper Kriege geführt, verloren und gewonnen wurden. Sie sind es, die prügeln, vergewaltigen, Überfälle begehen. Testosteron getränkt, ausgestattet mit geringer Impulskontrolle und wenig Frustrationstoleranz. Enthemmt, bewaffnet, traumatisiert. Sie sind es, die Gefängnisse füllen. Wir schauen auf sie. Verständnislos und angsterfüllt. Gewalt ist nicht zu begreifen als Zahl oder Statistik. Gewalt ist ein Erfahrungsphänomen. Sie schmerzt. Wir suchen ihr ebenso auszuweichen. Und doch bestimmt sie unsere Realität, ob wir hinsehen oder nicht. Bevor wir Gewalt und Gewalttäter kontrollieren oder auch nur begreifen können, müssen wir uns ihr und ihnen stellen. Und unsere Gewissheiten verabschieden und ja, unseren Glauben verlieren. Um uns auf einen Aufbruch einzulassen, der diesen Namen verdient.
Wichtige Hintergründe, die man wissen sollte:
Vierzehn Jahre lang hat die Filmemacherin mit einem unkastrierten Rüden gelebt und glaubte, so ziemlich alles über Hunde zu wissen. Dann traf sie Nadin Matthews. Sie beobachtete die Hundetrainerin bei ihrem Seminar „Mehr als beißen können sie nicht“ – diese Frau war absolut angstfrei und blieb vollkommen gleichmütig beim stundenlangen Kontakt mit wirklich gefährlichen Hunden. So etwas hatte Connie Walther noch nie gesehen. Sie begleitete Nadin Matthews zu einem viertägigen Aggressions-Seminar in die JVA Wriezen. Die Idee zum Film war geboren.
Connie Walther über Ästethik und Casting:
Die Form folgt dem Inhalt. Wir mussten den Darstellern, also den ehemaligen Tätern, die ihre Haftstrafen verbüßt hatten, einen Schutzraum bieten. Den sollten sie mit eigenen Erfahrungen und eigener Haltung füllen, er sollte sie jedoch vor persönlicher Entblößung bewahren. Sie waren Darsteller in einem Film, erhielten Spielnamen und fiktionale Vitae, trugen erfundene Kostüme. Der Raum, in dem sie agieren, ist künstlich überhöht. Er wirkt kolossal, fast pathetisch. Im Wirkungsfeld von Aggression, bei den Männern wie bei den Hunden, bildet Pathos die Basis. Es wird gebrüllt und gebellt, getanzt und posiert, bevor gekämpft wird – die Machtdemonstration als Choreographie.
Nach den Erfahrungen in der Haftanstalt stand fest, dass für einen Spielfilm mit echten Problem-Hunden nur Männer mit echten Aggressionsproblemen infrage kommen. Sabine Winterfeldt, die neben ihrer schauspielerischen Tätigkeit theaterpädagogisch im Antigewaltbereich arbeitet, fand die jungen Männer, die alle lange Haftstrafen verbüßt hatten. Neben der schauspielerischen Begabung waren ihre Gewaltdelikte ein wesentliches Kriterium für die Auswahl. Auch wenn der Film ihre Straftaten fiktionalisiert. Weil die Rückfallquote von Gewaltstraftätern sehr hoch ist, casteten wir die doppelte Anzahl, um sicher zu gehen, dass wir bei Drehbeginn noch ausreichend Darsteller haben würden. Mit Unterstützung von Gangway e.V., Straßensozialarbeit in Berlin, entwickelten wir einen Workshop, in dem die Laien mit ausgewählten professionellen Schauspieler*Innen Spieltechniken erlernen und szenisch arbeiten sollten. Der Workshop lief über drei Monate. So entstand das Theaterstück „Wir müssen draußen bleiben“ mit allen fünfzehn Mitwirkenden.
Auch die Hunde wurden gecastet. Durch Nadin Matthews´ Netzwerk gelang es, an Hunde zu kommen, die man normalerweise nicht zu Gesicht bekommt, wenn man Tierheime besucht. Hunde, die nicht vermittelbar sind, weil sie in Isolationshaft leben. Diego, Georgie und Face sind solche Kandidaten.
Daten zum Film:
Experimentelles Drama von Connie Walther
mit Nadin Matthews, Ibrahim Al-Khalil, Konstantin-Philippe Benedikt, etc.
Laufzeit: Ca. 107 Minuten
Deutschland, 2018
Freigegeben ab 12 Jahren
Verleih: Real Fiction
(OT: Die Rüden)
Als Hundeliebhaber und Besitzer stellen sich natürlich meine Ohren auf, wenn ich etwas von Rüden lese. In diesem Fall war ich sehr neugierig auf den Besonderen Film von Connie Walther. Auch wenn ich der Meinung bin, dass es kein Film für eine Kinovorstellung ist, sondern eher als Experiment und Dokumentation gehandelt werden sollte, wurde bereits früh mein ungeteiltes Interesse geweckt. Zumal der Hintergrund (siehe oben) ja tatsächlich real ist und die Hunde auch keine dressierten Filmtiere, sondern gefährliche Exemplare sind.
Eine Produktion, wie sie authentischer nicht sein könnte. Nochmal betone ich an dieser Stelle aber die Tatsache, dass hier ein „Film“ vorliegt, der nur für ein ganz bestimmtes Publikum in Frage kommt. Einige Szenen, die sehr in die kunstvolle Darstellung tendieren, passen aus meiner Sicht nicht so recht in die Handlung, sind aber vermutlich notwendig um bei Filmfestivals einen guten Eindruck zu machen. Ich kann jedenfalls für mich behaupten, dass ich einiges in Sachen Hundeerziehung aus dem Verhalten der Lu mitnehmen konnte. Die Tatsache, dass es eigentlich um die Verurteilen geht, blende ich aus und ist für mich bei Ansicht nicht wirklich relevant gewesen.
Die Cast/Darsteller:
Nadin Matthews
Ibrahim Al-Khalil
Konstantin-Philippe Benedikt
Ali Khalil
Marcel Andrée
Sabine Winterfeldt
Robert Mehl
Mathis Landwehr
Diego, Georgie und Face
u.v.a.
Nadine Matthews kommt aus der Sozialarbeit und hat Menschen in schwierigen Lebenssituationen beraten und begleitet. Gemeinsam mit Kollegen entwickelte sie eine besondere Art Hunde zu trainieren. Besonders die Tatsache, dass sie keinerlei Angst gegenüber aggressiven Hunden hat, sorgte für die Idee des Films. Sie ist Gründerin und Inhaberin von „Dogument“ und „Tough Hunter“.
Fazit:
Ich habe wirklich eine ganze Menge lernen können. Auch wenn die Intention des Films vermutlich ganz anders ist, so ging es mir tatsächlich in erste Linie um die Arbeit der Tiertrainerin mit den Hunden.
Text: The Shark, Real Fiction
Fotos: Real Fiction
Daten/Infos zum Film: Real Fiction, Webrecherche
Video: YouTube – Channel: MovieShark – Copyright: Real Fiction
Der Artikel „Die Rüden“ enthält Werbung!